Viele meiner Generation erinnern sich sicher noch an den Comic-Helden Popeye, der in den 1960er und 1970er Jahren über die Mattscheiben flimmerte und uns Kindern den ungeliebten Spinat schmackhaft machen sollte. Der untersetzte Matrose mit den viel zu kurzen Beinen, den oberschenkeldicken Unterarmen und dem zerknautschten Gesicht kam aus Amerika zu uns (wo ihn der Zeichner Elzie Crisler Segar bereits 1929 erfunden hatte), verdrückte unwahrscheinliche Mengen von Dosenspinat und wurde dadurch so stark, dass er selbst seinen monströsen Widersacher Bluto schon mit dem kleinen Finger k.o. schlagen konnte. Dementsprechend warben viele Eltern: „Wenn du groß und stark werden willst, musst du so viel Spinat essen wie Popeye!“
Was macht Spinat besonders?
Witzigerweise hatten die Eltern mit ihrem Spruch nicht ganz unrecht. Spinat enthält das Hormon Ecdysteron, das den Muskelaufbau fördert – vorausgesetzt man ist in der Lage, sich täglich 6 Kilogramm des Gemüses einzuverleiben… Spinat ist allerdings auch in weit geringeren Mengen durchaus eine Kraftquelle und ein idealer Lieferant von Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen. Kalium, Kalzium, Magnesium, Betacarotin, Vitamin C und Folsäure sind in beträchtlichen Mengen enthalten, der häufig beschriebene, extrem hohe Eisengehalt allerdings ist ein Mythos, der auf einem Berechnungsfehler des Schweizer Forschers Gustav von Bunge (1844–1920) beruht. Inzwischen hat es sich herumgesprochen: Spinat enthält mit 3 bis 4 mg/100 g etwa so viel Eisen wie Feldsalat und einige andere grüne Blattgemüse. Die natürlicherweise im Spinat (wie auch im Rhabarber oder im Sauerampfer) vorkommende Oxalsäure übrigens, die eine optimale Verwertung des Eisens und anderer Mineralstoffe beeinträchtigt, kann sowohl durch Blanchieren als auch durch Zugabe von Milch oder Sahne bei der Zubereitung reduziert werden.
Wozu gehört Spinat?
Spinat gehört wie Mangold, Rote Bete oder Guter Heinrich zur Familie der Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae) und ist – ernährungsgeschichtlich gesehen – alles andere als ein junges Gemüse. Chinesische Schriften aus dem 7. Jahrhundert n. Chr. weisen bereits auf den Spinat hin, der vermutlich von Händlern aus Persien ins Reich der Mitte gebracht wurde. Rund 100 Jahre später, gegen Ende des Altertums, kam er mit den Arabern ins Mittelmeergebiet, zuerst wahrscheinlich nach Spanien. So ist in einer Abhandlung des Gelehrten Ibn Hazar aus dem 11. Jahrhundert die Rede vom Spinatanbau in Andalusien – als Heilpflanze. In Mitteleuropa erschien der Spinat zuerst in den Schriften von Albertus Magnus (1200-1280), der ihn „Spanachia“ nannte, was soviel wie „aus Spanien stammend“ bedeutet. Belegt ist außerdem, dass Spinat in unseren Breiten etwa im 16. Jahrhundert „von jedermann gezogen“ wurde (New Kreütterbuch von Leonhart Fuchs, 1543) und so zum beliebten Gemüse aufstieg.
Wie sieht es weltweit mit dem Spinat aus?
Heute wird Spinat weltweit kultiviert. Die Hauptanbauländer sind China (735.000 ha), Indonesien (44.000 ha), Japan (22.000 ha) und die USA (20.000 ha). Obwohl sich in Deutschland die Anbaufläche in den letzten Jahren kräftig vergrößerte – von 3.145 ha im Jahr 2010 auf 4.318 ha im letzten Jahr – reicht das selbst in Europa nicht für einen der drei Podestplätze. Die bleiben seit vielen Jahren Italien, Frankreich und Belgien vorbehalten. Positiv dagegen ist der stetig steigende jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland – von 0,8 kg im Jahr 2010 auf 1,7 kg 2021.
Die Vielfalt des Spinats
Spinat ist ein kosmopolitisches Gemüse. Ob in Spanien, Italien, Griechenland, der Türkei und anderen Ländern es Mittelmeerraumes, in China, Indien, Nepal oder Thailand – überall versteht man es, Spinat abwechslungsreich und raffiniert zuzubereiten. Dementsprechend gibt es hunderte Rezepte, in denen das Blattgemüse geschmacklich die erste Geige spielt. Ganz persönlich bevorzuge ich alle Zubereitungen, bei denen der Spinat – gut gewürzt und am liebsten in Kombination mit Käse – in einer Teigrolle oder -tasche „verpackt“ wird. Dazu zählt beispielsweise ein türkisches Fast-Food names Peynirli Gözleme – das sind hauchdünn ausgerollte Fladen aus Yufka-Teig, die mit einer Mischung aus streifig geschnittenen Spinatblättern, gehackter Petersilie und salzigem Schafskäse (Bayaz peynir) gefüllt und in Öl goldbraun gebraten werden. Ich kann nur sagen: ein Gedicht, das Gericht. Überhaupt können wir im Umgang mit Spinat von den Türken einiges lernen. Er ist dort Bestandteil vieler sowohl fleischiger als auch vegetarischer Gerichte, Kinder essen ihn klaglos, und die Legenden um seinen Eisengehalt sind in der Türkei unbekannt. Gleiches gilt übrigens auch für die Italiener. Sie servieren Spinat zu Fettucine, Tagliatelle und anderen Pastasorten, backen eine respektable Torta di spinaci, füllen Ravioli oder Omeletts mit Spinat und Ricotta und bereiten aus dem gleichen Spinat-Ricotta-Mix ihre legendären Gnudi zu, kleine Klößchen, die mit zerlassener Butter, frischen Salbeiblättern und geriebenem Parmesan auf die Teller kommen. Weit weniger kreativ ist der Umgang mit dem gesunden Gemüse in deutschen Küchen – kein Wunder, dass der jährliche Pro-Kopf-Konsum hierzulande lediglich 1,7 Kilogramm beträgt. Immerhin erinnere ich mich an eine samtige Spinatsuppe mit Birnen und Roquefort. Zubereitet hat das grandiose Gericht Sternekoch Oliver Heilmeyer – vor 25 Jahren im Spreewald-Resort Zur Bleiche ….