RED Spring Vodka…
…oder: Wie der Rottstocker Kaviar zu einem passenden Begleiter kam. Seit zwei Jahren züchten Susanne und Matthias Engels in einem ihrer 25 Teiche Sibirische Störe, deren Rogen, fein gesalzen, inzwischen bei Feinschmeckern in Berlin, Brandenburg und Sachsen einen guten Ruf genießt. Und wenn, dann gehören entweder ein guter weißer Burgunder, ein trockener Champagner oder ein eiskalter Wodka unbedingt dazu. Das wissen natürlich auch Susanne und Matthias Engels. Die Rottstocker Kaviarproduzenten hatten ein außergewöhnliche Idee, fanden einen ebensolchen Partner und brachten vor einigen Monaten ihren Red Spring Vodka auf den Markt.
Es war einmal…
Am 30. August 2013 um 11.50 Uhr ist es endgültig. Susanne und Matthias Engels – sie hieß damals noch Finsterer – unterschreiben den Kaufvertrag für den Forellenhof Rottstock, eine 12 Hektar große Teichwirtschaft im Brandenburger Landkreis Potsdam-Mittelmark. Eine Entscheidung, die selbst gute Freunde nicht nachvollziehen können, zumal die beiden keine Jungspunde mehr sind.
Sie geben ihre gut dotierten Fernsehjobs auf, die schöne Zehlendorfer Wohnung, die vielen Annehmlichkeiten des Großstadtlebens. Aussteigerfrust? „Gott bewahre, eher Einsteigermut“ sagt Susanne Engels. Am 1. Oktober 2013 ziehen sie aufs Land – Rottstock, ein Dorf mit viel Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Vor sich ein Leben als Fischzüchter. Viel Wollen, aber wenig Wissen. Irgendwie eine Art von Himmelfahrtskommando.
…und so ist es heute
Viereinhalb Jahre sind seitdem vergangen. Susanne und Matthias Engels hatten in dieser Zeit glückliche Tage, aber auch schlaflose Nächte. Unterm Strich jedoch sind sie ein Paradebeispiel für die uralte unternehmerische Weisheit, dass nur Erfolg hat, wer sich was traut. Wenn die beiden ehemaligen TV-Menschen heute über nachhaltige Teichwirtschaft anstelle intensiver Fischmästerei, über Aufzuchtmethoden, Besatzdichten und Futtermittel reden, klingt das wie aus dem Mund von alten Hasen. Fakten, Fakten, Fakten – kein Bling-Bling.
Dass Susanne und Matthias Engels gerade wieder mal mit dem Fernsehen zu tun haben, liegt nur daran, dass kürzlich die erste Folge der neuen ZDF-Krimiserie SOKO Potsdam auf ihrem Forellenhof gedreht wurde. Der ist inzwischen eine der angesagtesten Adressen der Branche im Land Brandenburg: beliebtes Angelparadies, Einkehrstätte mit florierendem Fischbistro und ebensolchem Fischverkauf, ein familienfreundlicher Naherholungsort.
Das macht den Forellenhof Rottstock auch noch aus:
Matthias Engels bietet zudem Räucherseminare an, entwickelt neue Forellen- und Saiblingsspezialitäten und zieht Samstag für Samstag in die Markthalle Neun nach Berlin – sogar eine Fischakademie ist im Gespräch. Susanne Engels schließlich engagiert sich im Landesvorstand der Verbandes Deutscher Unternehmerinnen und im Handelsverband Berlin-Brandenburg. „Erfolg braucht vieles“, sagt sie „vor allem Leidenschaft.“
Spitzenköche lässt sowas kalt. Sie kaufen Lebensmittel nicht, weil sie der Produzent überzeugt. Das Produkt muss stimmen. Wenn sich also solche kulinarischen Koryphäen wie Alexander Dressel, Florian Glauert, Marco Müller, Hendrik Otto oder Jan-Göran Barth, Küchenchef des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue, für Fische aus Rottstock entscheiden, so liegt das nicht an Susanne Engels verkäuferischem Talent, sondern daran, dass ihre Saiblinge, Störe, Bach-, Lachs- und Regenbogenforellen nachhaltig aufgezogen und mit größtmöglicher Frische ausgeliefert werden.
Dressel beispielsweise, Sternekoch im Bayrischen Haus in Potsdam, schätzt besonders den Stör aus Rottstock: „Er ist an Frische nicht zu überbieten. Wenn er mittags gebracht wird, schwamm er morgens noch im Wasser.“ Natürlich weiß der erfahrende Küchenchef auch um den Wert eben jenes Wasser für die Aufzucht der Fische auf dem Forellenhof. Es stammt aus der Gesundbrunnenquelle, die seit 359 Jahren sprudelt und seit 1910 die Rottstocker Fischteiche speist.
Die Gesundbrunnenquelle
An dieser Stelle bekommt unsere Geschichte über die Rottstocker Störe, ihren Kaviar und die Suche von Susanne und Matthias Engels nach einem passenden Begleiter dafür, ein retardierendes Moment. Wir machen einen Abstecher nach Buckow, das Nachbardorf. Im Pfarrhaus des 200-Einwohner-Örtchens leben Ute und Thomas Grandow (www.radpfarrhaus.de). Der 72-jährige Pfarrer im Ruhestand war bis zu seiner Pensionierung 2011 Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und als Scientology-Experte ein vielgefragter Interviewpartner und Talkshowgast. Heute engagiert sich Grandow für die Dorfgemeinschaft und gilt als kenntnisreicher Führer durch die Brandenburger Regionalgeschichte. Beim Tee erzählt er über den Gesundbrunnen, der am Pfingstmontag des Jahres 1659 durch einen Bergeinsturz nach einem Gewitter entstanden und von einem Kuhhirten entdeckt sein soll.
„Das Wasser muss anfänglich eine gewisse Heilkraft besessen haben“, so Thomas Grandow, „denn schnell entwickelte sich die Quelle zur Pilgerstätte.“ Die ältesten erhaltenen Nachweise dafür sind übrigens die Veröffentlichungen des Dahnsdorfer Pfarrers Adam Poltz, der bereits 1659 den Wunderbrunnen pries: „O Neuer Wunderbrunnen/ Printz aller schönen Quellen/ zur Hülff und Artzeney in schweren Krankheits-Fällen…“
„Damals legten die Besitzer des Landes, eine Familie von Wulffen, diese Teiche an“, erläutert Matthias Engels, „wir sind allerdings die Ersten, die hier Störe züchten.“ Tatsächlich scheint sich der urtümliche Knorpelfisch im Wasser der Gesundbrunnenquelle besonders wohlzufühlen. „Er mag wahrscheinlich dessen ausgewogene Mineralität“, so Engels. Der Fischzüchter führt uns zur Quelle, die in einem Waldstück ein paar hundert Meter hinter dem Forellenhof liegt. Der Weg ist beschwerlich, zumal, wenn es geregnet hat.
Das unberührte Stück Natur
Wildgewachsene Sträucher, umgestürzte Bäume, junge Triebe, ein Stück Natur, das ohne menschlichen Eingriff existiert. „Unser verwunschener Wald“, nennt Engels das so wunderbar unberührte Biotop. Die Quelle selbst ist viel weniger spektakulär. In einer Senke tritt an vielen Stellen rostrotes Wasser aus der Erde, Rinnsale entstehen, die zueinander finden und dann zu einem Bach werden. „Das Wasser ist eisenhaltig“, erklärt Matthias Engels, „aber das Eisen bleibt auf dem Weg zu den Teichen auf der Strecke.“ Wir schöpfen Wasser mit den Händen.
Da sind ein bisschen Flora und Fauna in der Nase und am Gaumen tatsächlich eine belebende Frische und subtile Mineralität. „Ihr seid nicht die Ersten, die das feststellen“, sagt Engels, „und so wuchs die Idee, daraus einen Wodka zu brennen, als passenden Begleiter des Kaviars, den wir von unseren Stören gewinnen.“
Die eigentliche Idee
Zurück zu den Rottstocker Stören, ihrem Kaviar und zur Idee von Susanne und Matthias Engels, das Wasser der Gesundbrunnenquelle zu nutzen, um Wodka zu brennen. Eine zufällige Begegnung brachte schließlich den Stein ins Rollen. „Wir hatten auf der Abschlussgala der eat!berlin im Februar 2017 unsere Kaviarofferte neben dem Stand eines Edelbrenners aus Österreich aufgebaut“, erinnert sich Susanne Engels, „wir kamen ins Gespräch und fanden für unsere Idee offene Ohren, zumal Josef Farthofer mit grenzüberschreitenden kulinarischen Projekten bereits einige Erfahrungen gemacht hatte.“ Bevor die ewigen Bedenkenträger aktiv werden konnten, waren dann schon einige Kanister mit Gesundbrunnenwasser unterwegs ins 700 Kilometer entfernte Öhling, einer Gemeinde im niederösterreichischen Mostviertel.
Die Destillerie Farthofer
Die nächste Station ist das eigentliche Ziel unserer Reise ins Mostviertel: Öhling. Mitten im Ort – das Anwesen von Josef Farthofer und seiner Frau Doris, die Mostelleria. Farthofers Wortschöpfung steht für Biodestillerie, Edelbrennerei, für Most- und Spirituosen-Erlebniswelt. Der 45-jährige Hausherr stieg erst spät ins gegendtypische Most- und Spirituosengeschäft ein. Nach dem Wirtschaftspädagogik-Studium in Linz leitete er ein Technologiezentrum und beriet Jungunternehmer, 2003 gründete er sein eigenes Gewerbe. Farthofer kaufte den heruntergekommenen Mostkeller am Dorfplatz in Öhling, einen der größten im Viertel, sanierte ihn aufwändig, installierte die nötige Brenn- und Kellertechnik und gehörte schnell zur Gruppe der Qualitätspioniere seiner Zunft. „Natürlich hat man, wenn man in dieser Region aufwächst, auch immer ein bisschen Most im Blut“, begründet er bescheiden den raschen Aufstieg, der ihm dann auch den Titel „Mostbaron“ einbrachte.
„Damit können Männer und Frauen ausgezeichnet werden, Mostproduzenten, Edelbrenner, Gastronomen und Hoteliers, die sich für das Mostviertel und dessen wichtigste Spezialität, die Mostbirne, besonders engagieren“, so Farthofer. Auch er produziert aus vielen alten Sorten wie Dorsch-, Knoll-, Speck- oder Pichlbirne reinsortige Moste, also vergorene Säfte und hochwertige Cuvées, die mit animierender Säure und erstaunlicher Aromenvielfalt überraschen. Josef Farthofers erstes Glanzstück war jedoch der Mostello, ein Birnendessertwein, hergestellt nach der Portweinmethode, eine weltweit einzigartige Komposition aus Birnenwein und Bio-Birnenbrand, gereift im Barriquefass, Alkoholgehalt 20 Prozent, ein Kracher.
Die Variationen von Josef Farthofer
Er empfiehlt ihn pur oder als Mostello Spritz mit einem Schuss Zitronenlikör, den er natürlich selbst aus sizilianischen Bio-Zitronen herstellt, ein paar Minzblättern und einem Soda-Topping. Neben den Flaschen mit dem Namensgeber seiner Edelbrennerei stehen inzwischen rund 50 weitere Spirituosen-Sorten in den Regalen seines beeindruckenden Gewölbekellers: Birnen- und Marillenbrände, Exoten wie Bier- und Bergheubrand, die Kreationen seiner O-Serie (das O steht für Organic) O-Gin, O-Rum, O-Vodka, Liköre aus verschiedenen Früchten, aber auch aus Schokolade und als Eierlikör, Whiskys… Farthofer beliefert die berühmte Zotter-Schokoladenmanufaktur im Steiermark-Dörfchen Bergl, produziert für das Berliner Freimeister-Kollektiv Kaffeegeist und Kaffeelikör und für die Kabumm GmbH des Kölner Rappers Sido aus Nackthafer den Kabumm Vodka.
Seine Vollverschlussbrennerei exportiert nach Spanien, Portugal, in die Schweiz und die Benelux-Staaten, nach Kanada, Namibia, Singapur, Aserbaidshan, Kasachstan, und auch in Berliner Spitzenrestaurants wie dem „Horváth“ oder dem „Schwein“ stehen eine Reihe der Farthofer-Brände auf den Karten. Das klingt nach „Business as much as possible“ und vielleicht ist es das auch. Allerdings mit Grundsätzen, von denen Farthofer sich nicht abbringen lässt: Rohstoffe aus eigenem Bio-Anbau oder von befreundeten Landwirten, Obst von den eigenen Streuobstwiesen, Wasser aus eigener Granitquelle, Verzicht auf jedwedes Fremdaroma, Nachhaltigkeit in jeder Phase der Produktion bis zur selbst erzeugten Öko-Wärme. „So ist es möglich, auch in kleineren Betrieben durch ganzheitliches Handeln einen Marktvorsprung zu erzielen und sinnstiftend zu arbeiten“, sagt Josef Farthofer.
Das alles brachte ihm viel Anerkennung in Niederösterreich ein und einige Beachtung über die Grenzen des Bundeslandes hinaus. Wirklich berühmt wurde Farthofer dann 2012, als sein O-Vodka im Rahmen der International Wine and Spirits Competition IWSC mit einer Goldmedaille und der Trophy „Weltbester Wodka“ ausgezeichnet wurde. „Diese Ehrung wog umso schwerer, weil unter den 90 Kandidaten, die die Jury verkostete, alle bekannten Marken aus Finnland, Polen und Russland waren“, so Farthofer.
Das Ergebnis
Die Ehrung löste in Österreich einen wahren Wodka-Boom aus und auf dem Schreibtisch des Preisträgers stapelten sich Einladungen aus der halben Welt, seinen O-Wodka zu präsentieren – darunter auch eine von Bernhard Moser, Leiter des Feinschmeckerfestivals eat!berlin. Farthofer entschied sich für eine Reise in die deutsche Hauptstadt, der Rest ist Ergebnis: Mit Hilfe von Gesundbrunnen-Quellwasser, bayerischem Bio-Brauweizen und einer fünffachen Destillation sorgte Josef Farthofer dafür, dass der Rottstocker Kaviar einen passenden Begleiter bekam.
Forellenhof Rottstock / 25 Teiche
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