„Kaffee oder Tee?“, fragt sie. Nach der Entscheidung die Zusatzfrage: „Türkisch oder normal?“ Wir sind bei Ava Celik zu Hause, um über Brot zu sprechen, über ihr Brot. Charlottenburg, eine bestbürgerliche Adresse. Altbau, Vorderhaus, dementsprechend die Wohnungsgröße. Die 27-Jährige wohnt bei ihren Eltern. Als wir vorschlugen, sie hier beim Backen zu fotografieren, bat sie um Bedenkzeit. Ihre Heiligkeit, die Privatsphäre. Ava Celik war mal Schauspielern, auf dem Weg zu höheren Weihen und entsprechender Prominenz. Kollegen warnten sie damals, Journalisten mehr von sich preiszugeben als nötig. Sowas wirkt nach. Dann rief sie aber doch an, wir vereinbarten einen Termin und sitzen nun in ihrem karg möblierten Mädchenzimmer. Ava Celik spricht über sich. Geboren 1990 als Tochter türkischstämmiger Eltern in Berlin, Grundschule, Gymnasium, Leistungskurs Altgriechisch, Abi mit 1,2. „Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, welcher soweit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung…“, Homers Odyssee zitiert sie noch heute in Originalsprache aus dem Stegreif. Sie lernt Saxophonspielen und Degenfechten, das verbale Florett beherrscht sie ohne hin. Philosophie- und Filmwissenschaftsstudium. Schauspielunterricht. Theater. Haupt- und Nebenrollen in Kino- und Fernsehfilmen. Preise und Nominierungen. Eine Karriere im Formel-1-Tempo. Ava Celik unterbricht ihre Erzählung. „Noch einen Mokka?“ Dann, abrupt der Satz: „Im November 2014 bekam ich die Diagnose Zöliakie.“ Eine seltene Autoimmunkrankheit. In Deutschland leiden etwa 0,9 Prozent der Bevölkerung an Zöliakie. Sie vertragen kein Gluten, Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, aber auch Dintzel, Einkorn und Emmer sind für sie tabu, ansonsten würde sich ihr Dünndarm chronisch entzünden. „Wie hat das Ihr Leben verändert?“
„Ich musste mir über meine Ernährung Gedanken machen.“ Im Mittelpunkt steht das Brot. Glutenfrei, also ohne Klebeeiweiß ist es nach dem Backen dicht und hart. Eine geschmacksarme Sättigungsbeilage. „Kann es sein, dass wir zum Mond fliegen, aber nicht in der Lage sind, gutes Brot auch ohne Gluten zu backen?“ Ava Celik wollte es wissen. Der Improvisation folgte Monate später die Perfektion. Der Backautodidaktin gelang es nach vielen Tests mit hunderten glutenfreier Mehlmischungen tatsächlich, ein Brot mit krosser Kruste aus dem Ofen zu holen, dessen Krume fluffig, weich und großporig war. Das sollte ihr täglich Brot werden. Sauerteig, 36 Stunden fermentiert, ohne künstliche Hefen. Ein starkes Brot. Ein Gedicht.
Ava Celik postete den Erfolg auf Facebook:
„Glutenfreie Mehle funktionieren anders, als herkömmliche. Das Ziel ist es, einen sehr klebrigen Teig herzustellen. Das gelingt wie folgt: Der Sauerteig sollte am Abend zuvor vorbereitet werden, sodass man ihn am nächsten Morgen einfach mit Mehl, etwas Wasser und Salz mischen kann. In den darauffolgenden drei bis vier Stunden, sollte alle halbe Stunde der Teig geknetet und gefaltet werden, bevor er für weitere Stunden aufgeht. Sobald die gewünschte Größe erreicht ist, das Brot in einem Feuertopf bei 260°C für 25 Minuten backen. Dann den Deckel abnehmen und bei 230°C für weitere 30 Minuten backen.“ 11.000 Follower jubelten. Anfragen aus Israel, ob sie glutenfreie Backkurse geben könne; Bitten aus Japan, ob sie ihre Brote schicken würde; Bewerbungen von Bäckern aus Amerika, England und der Türkei; Rezeptwünsche. Ava Celik hat eine neue Bühne. Das Stück heißt: Mit Laib und Seele.
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