Schon gewusst, dass es sich mit Grünkohl nicht nur deftig schlemmen, sondern auch delikat detoxen lässt?
Vom blassen Gänsefettverdauungs-Begleiter zum umjubelten Veggie-Superfood-Champion: Die Neuentdeckung des Grünkohls
Er zählt weltweit zu den TopTen der Superfoods-Gemüseliga und ist gleichzeitig Inbegriff der traditionellen und typisch deutschen bürgerlichen Küche. Grünkohl ist ein wahrer Wintergemüseschatz. Nicht etwa, weil er seit Ewigkeiten treu in die Rolle des klassischen Fettverdauungsbegleiters unserer heiligen Weihnachtsgans schlüpft oder uns – umringt von Kasseler, Grütz- und Mettwürsten – an kalten Tagen deftig-wärmende Eintopffreuden verheißt.
Sondern wegen seiner herausragenden, gesundheitsförderlichen Eigenschaften, mit denen er sich inzwischen aus dem Schatten fettiger Fleischberge befreit hat, um endlich auch in der modernen vegetarischen Küche zu triumphieren: Reich an Vitamin C, Eisen, Magnesium und Calcium und mit mehr A-Vitaminen und Carotinoiden ausgestattet als die Karotte, punktet er mit über vierzig verschiedenen antioxidativen und immunkraftstärkenden Flavonoiden und Glycosiden. Allem voran mit Alpha-Linolensäure (ALA), einer wertvollen Omega3-Fettsäure, die u.a. den Cholesterinspiegel im Blut reguliert, unser Nervensystem stärkt und der Leber beim Entgiften unseres Körpers behilflich ist. Die bekommt zusätzliche Detox-Hilfe durch den extrem hohen Gehalt an Chlorophyll im Grünkohl, der (genau wie bei der Brennnessel) das Ausleiten von Giftstoffen und Schwermetall-Ablagerungen bewirkt. Beim Aufzählen dieser benefits fragt man sich schon, warum das Gemüse so ewig lange nur im fettigen Schatten von Gans und Gepökeltem vor sich hin köcheln musste, ohne angemessen gewürdigt zu werden? Mehr als gehackte Zwiebeln, ein Klacks Senf und großzügiges Übergaren war an Aufmerksamkeit nicht drin.
Umso respektvoller, schonender und kreativer wird er nun von junger Veggie-Kochzunft behandelt:
Roh zubereitet, fermentiert, mariniert, in Smoothies und Salaten, auf asiatische Art im Wok kurzgebraten, als indisches Gemüsecurry, als Flammkuchenbelag, Quiche- oder Lasagnefüllung, mit Schafskäse und Süßkartoffeln, zu roten Linsen oder Kichererbsen – Grünkohl marschiert als neuentdecktes Veggie-Superfood quer durch die Länderküchen-Speisekarten und harmoniert dabei geschmacklich bestens mit fernöstlicher gelegenen Speisekulturen. Was vielleicht auch an seiner ursprünglichen Herkunft liegen mag?
Denn die „Friesenpalme“, wie man den Grünkohl in norddeutschen Gefilden wegen seiner Wuchsform zu nennen pflegt, ist als Ackergemüse hierzulande erst vor 500 Jahren heimisch geworden und stammt eigentlich aus dem vorderasiatischen Mittelmeerraum. Dort wurde die Pflanze (in ihrer wild wachsenden Form) dereinst noch gar nicht für die Speiseküche, sondern als Heilmittel verwendet. Schon die Ägypter und die alten Griechen wussten lange vor unserer Zeitrechnung die vielseitigen medizinischen Wirksamkeiten des Kreuzblütler-Krauts zu schätzen und bereiteten aus ihm Tinkturen und Teeaufgüsse gegen Magenleiden und Verdauungsprobleme zu. Der Arzt Hippokrates empfahl seinerzeit eine leichte Brühe aus gekochten Grünkohlblättern, um nach übermäßigem Alkoholkonsum die Kopfschmerzen und Magen-Darmverstimmungen zu lindern. Was heute, 2500 Jahre später, vielleicht als Anregung dienen könnte, zum „Katerfrühstück“ statt Rollmöpsen mal einen Grünkohl-Smoothie auszuprobieren?
Dass der industriell kultivierte Grünkohl von heute kaum noch gesunde Bitterstoffe enthält, lässt sich angesichts seines gewaltigen Gesundheitspotentials halbwegs verschmerzen. Leider wurden in den letzten Jahren – genau wie beim Chicorée – sämtliche bitteren Elemente fast vollständig aus dem Gemüse herausgezüchtet, womit es inzwischen auch gar keine frühwinterliche Frostkälte mehr benötigt, um eine ausreichende Geschmacksüße zu entwickeln, die das Bittere verdrängt. Was wiederum bedeutet, dass sich Grünkohl jetzt quasi ganzjährig anbauen lässt, ohne dass ein nahender Winter für die Ernte in Sicht sein muss. Ob er für uns dennoch ein Wintergemüseschatz bleibt, hängt also allein davon ab, wie gern und oft wir ihn – ohne Gänsekeule, Knacker und Co – auf dem Teller haben mögen.