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Nachgelesen in alten Kochbüchern – Das Milchkochbuch von 1912

Dieses 80-Seiten-Büchlein mit seinen 208 Rezepten zeigt zweierlei: Zum Ersten, dass große Lebensmittelunternehmen schon vor über 100 Jahren viel Wert auf Werbung legten und

Dieses 80-Seiten-Büchlein mit seinen 208 Rezepten zeigt zweierlei: Zum Ersten, dass große Lebensmittelunternehmen schon vor über 100 Jahren viel Wert auf Werbung legten und – wie die Berliner Bolle-Meierei – neben Plakaten an Litfaßsäulen und in U-Bahnhöfen, Inseraten in Hausfrauenzeitschriften und Ansichtskarten auch auf Bücher mit einem relativ hohem Gebrauchswert setzen.

Und zum Zweiten, dass an solchen Büchern offenbar ein erheblicher Bedarf bestand – anders lässt sich nach unserer Meinung die für damalige Verhältnisse gewaltige Auflage von 21.000 Exemplaren nicht erklären. Hätte es 1912 schon eine Bestsellerliste gegeben, „Milch: Speisen und Getränke“ wäre sicher unter die Top-Ten gekommen.

Für Meierei-Direktor Carl Reuter, dem Verfasser des Bandes, gab es allerdings auch einen direkten Anlass, dieses Buch zu schreiben: „Trotz aller Vorzüge findet die Milch in den großen und mittelgroßen Städten leider nicht die verdiente Würdigung“, notierte er in seinem knappen Vorwort. So gesehen, hatte die Rezeptsammlung wohl auch eine gewisse Marketingfunktion für die Produkte der Bolle-Meierei. Das Unternehmen, das 1912 rund 2.500 Mitarbeiter beschäftigte, belieferte Berlin mit Milch – Vollmilch, Magermilch, Buttermilch, die zumeist von Brandenburger Bauernhöfen stammte und per Bahn in die Hauptstadt kam. Die Meierei mit Standort in Berlin-Moabit (heute heißt das Gelände ‚Spree-Bogen‘ und ist u.a. Sitz des Bundesinnenministeriums) stellte daneben aber auch Butter, Quark und Käse her.

Ab 1887 gab es Kefir im Programm, später auch Tätte, eine ursprünglich skandinavisches Sauermilchzubereitung. 1912, schließlich im Erscheinungsjahr unseres Büchleins, brachte die Bolle-Meierei Joghurt auf den Markt – „die Sauermilch der Bulgaren“, wie es dort heißt. Carl Bolle übrigens, des Gründer und Namensgeber der Meierei, wurde 1832 in Milow bei Rathenow geboren, lernte den Beruf eines Maurers, legte die Meisterprüfung ab und machte sich 1860 selbständig. Er baute Mietshäuser, Eiswerke und Eiskeller am Rummelsburger See und erregte 1869 zum ersten Mal öffentlich Aufmerksamkeit als er eisgekühlten frischen Fisch auf den Berliner Markt brachte.

1879 richtete er am Lützowufer einen Milchausschank ein, zwei Jahre später gingen seine ersten Milchwagen auf Tour. Durch die Glocken ihrer Kutscher animiert, prägte der Volksmund schnell den Namen „Bimmel-Bolle“. Das Geschäft florierte, Bolle kaufte für eine Million Mark ein 23.00 Quadratmeter großes Grundstück in Alt-Moabit, auf dem am 7. März 1887 die neue Meierei ihren Betrieb aufnahm.

Zu Bolles wichtigsten Verdiensten gehört , dass er von Anfang an einen hohen Standard der Lebensmittelhygiene einführte, Labore einrichtete, in denen die Milch und alle Milchprodukte regelmäßig untersucht wurden. Im Jahre 1900 begann die Meierei als erste in Deutschland, die Milch zu pasteurisieren, also sie 30 Minuten lang auf 65 Grad Celsius erhitzen und dann auf zwei Grad abzukühlen. Obligatorisch wurde das in Berlin erst 1928. Übrigens: Mit dem Berliner Balladenhelden, der zu Pfingsten in Pankow seinen Jüngsten im Jewühl verlor, hat der einstige Milchkönig Carl Bolle nichts zu tun.

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