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Zu Gast in Pietrasanta

Città d’arte e culinaria, Stadt der Kunst und der Kulinarik, so wirbt Pietrasanta um Touristen. Und die kommen Jahr für Jahr in Scharen in das Städtchen in der …

Stadt der Kunst und Kulinarik

„Immaginamo la gastronomia in nuovo modo”, sagt Pierluigi Bizzarri selbstbewusst, „wir denken die Gastronomie neu.” Seit der 43-jährige Unternehmer aus der toskanischen Provinzhauptstadt Pistoia vor fünf Jahren sein erstes Restaurant eröffnete, gilt er als gastronomischer Visionär. Sein jüngstes Projekt ist ein kettentaugliches Fischrestaurant mit bisher drei Standorten. Ende September – die Restaurants in Italien waren mit Auflagen geöffnet – besuchten wir das Fishing Lab in Pietrasanta und erfuhren Erstaunliches. Città d’arte e culinaria, Stadt der Kunst und der Kulinarik, so wirbt Pietrasanta um Touristen. Und die kommen Jahr für Jahr in Scharen in das Städtchen in der nördlichen Toskana, Sie bevölkern die schmalen Gassen und bestaunen den berühmten Campanile. Wer das Gewusel auf der Piazza Duomo und in den Straßencafés dort schon einmal erlebt hat, wird das Bild des fast menschenleeren Marktplatzes für ein Foto-Fake halten. Aber es ist im Spätsommer des Coronajahres 2020 Realität.

Besuch im Zeichen der Pandemie

Dass Ende September die Straßen und Plätze in Pietrasanta weit weniger bevölkert sind als in den Vor-Corona Jahren, liegt zuerst daran, dass kaum noch ausländische Touristen die Stadt besuchen. Auch in der Toskana sind die Italiener unter sich. Die meisten halten die Hygienegebote ein und wirken dabei ziemlich entspannt. Uns verwundert, dass die Abstandsregel mit lediglich einem Meter viel geringer als in Deutschland ist. Dafür tragen hier mehr Menschen Maske, obwohl es keine generelle Maskenpflicht gibt. Die wird von der italienischen Regierung erst am 8. Oktober angeordnet – allerdings mit vielen Ausnahmen. Die bei einem Verstoß angedrohten Bußgelder betragen übrigens saftige 400 bis 1.000 Euro, das ist ein Vielfaches dessen, was in deutschen Städten angezeigt ist. Wir sind unterwegs zu einem erst wenige Wochen zuvor eröffneten Restaurant, das in der gastronomisch eher konservativen Toskana neue Wege gehen will. Dafür steht der Name seines Betreibers: Pierluigi Bizzarri, den sie in Italien il visionario nennen, den Visionär.

Dezente Einrichtung

Und täglich grüßt das Meerestier? Im Fishing Lab in Pietrasanta bestimmt. In diesem modern möblierten und zum Glück auch nicht fischereifolkloristisch überdekorierten Lokal kommt – bis auf ganz wenige Ausnahmen – ausschließlich Fisch auf die Teller. Zuerst allerdings gibtʼs Speisenkarte, Besteck und Serviette, desinfiziert und eingeschweißt in einen Plastikbeutel. Der wird am Tisch aufgeschnitten und der Gast entnimmt, was er braucht.

Modulares Menükonzept

Die Speisenkarte, die man sich auch auf das iPhone laden kann, funktioniert nach dem Baukastensystem. Motto: Der Gast stellt sich sein Menü selbst zusammen: Schalen- und Krustentiere gibt es einzeln zum Stückpreis, ebenso Sushi. Poke Fish ist eine Bowl mit Reis und Gemüse – welcher Fisch dazu serviert wird, entscheidet wiederum der Gast. Außerdem können die meisten Gerichte auch als halbe Portionen geordert werden. Ein Konzept, vor allem für junge Leute gedacht. „Più easy, più smart”, nennt es der Manager, ein Motto, das sicher keine Übersetzung braucht.

Fischsuppe to go

„Wenn unser Fishing-Lab-Konzept hier in Pietrasanta und in Florenz erfolgreich ist, wollen wir expandieren”, sagt Tommaso Cantini. Er ist Marketing-Chef der PB srl, so das Kürzel für die gastronomische Unternehmung von Pierluigi Bizzarri und dessen Sprecher. Der 37-Jährige fügt hinzu: „Wir haben zum Beispiel Berlin im Blick.” Wie gesagt, das Gespräch fand Ende September statt. Im Dezember, nach dem erneuten Lockdown in Italien, spricht Cantini nur noch von „Existenzsicherung”. Und zu der soll auch der Cacciucco beitragen. Dabei handelt es sich um die traditionelle Fischsuppe der Toskana. Sie ist ein beliebtes Weihnachtsessen in den Küstenorten der Region. Er muss aus fünf Fischsorten gekocht werden, für jedes „C” im Namen eine Sorte – also etwa Drachenkopf, Knurrhahn, Meeräsche, Petermännchen und Rotbarbe. Außerdem sind Heuschreckenkrebse und einige Miesmuscheln wichtig. „Weil die Beschaffung der Zutaten und die Zubereitung ziemlich aufwändig sind, gibt es bei uns Cacciucco to go”, so Tommaso Cantini Anfang Dezember telefonisch.

Zukunft ungewiss

Der Marketingchef des Fishing Lab klingt nicht eben optimistisch, wie auch, angesichts der Verordnungen, die Italiens Premier Giuseppe Conte kürzlich für die Feiertage verkündete. So dürfen die Italiener vom 21. Dezember bis zum 7. Januar ihre jeweilige Wohnregion nur in Notfällen verlassen, und am 25. und 26. Dezember sowie am Neujahrstag gilt das Verbot sogar für die Gemeindegrenzen. Zudem appellierte Conte an alle Italiener, am besten auch auf den „cenone” zu verzichten, das traditionelle weihnachtliche Festessen mit der ganzen Familie. „Es wird eine völlig andere Weihnacht, als wir es gewohnt sind”, kommentiert Tommaso Cantini die Einschränkungen. Andere formulieren weniger moderat. So ist in Italien immer öfter vom „natale blindato” die Rede, vom „gepanzerten (also überwachten) Weihnachten”. Auf die Zukunft des Fishing Lab und anderer Projekte seines Unternehmens angesprochen, reagiert Cantini so, wie die meisten Menschen derzeit: „Vediamo come sará.” Man wird sehen.

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