Für den kritischen Geist der diplomierten Kommunikationsdesignerin und GarÇon-Layouterin Diana Putzu liegen zwischen den beiden grafischen Präsentationen auf dieser Seite – gestalterisch gesehen – Lichtjahre. Nun ja, ganz so schlimm ist die Wirklichkeit dann doch nicht – es sind lediglich 25 Jahre.
Am 2. Januar 1996, einem nasskalten Dienstag, startete der damals 25-jährige Fleischermeister Jens-Uwe Bünger an traditionellem Standort in die Selbstständigkeit. Er übernahm in der Westfälischen Straße 53 ein Geschäft, das seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer eine Fleischerei war – erst Sauer, später Bade, dann Kienast, zuletzt Schmidt – und selbst in schlechten Zeiten als gute Adresse galt. Bünger packte noch eins drauf und machte binnen eines Vierteljahrhunderts aus dem passablen Kiezladen einen schicken Vorzeigebetrieb mit stattlicher Fangemeinde.
Die tagsüber nicht eben verkehrsarme Westfälische Straße wirkt um sechs Uhr morgens wie ausgestorben. Das Leben im gutbürgerlichen Wilmersdorf beginnt zu einer christlicheren Zeit. Lediglich bei Bünger brennt schon Licht und vor allem montags, mittwochs und freitags nicht nur das. Das sind die Tage, an denen „Neuland“ Ware liefert. „Dann brennt hier auch die Luft“, sagt Geselle René Ertel, der etliche Schweinehälften aus einem Kühltransporter holt, der im Hof parkt, sie eine steile Treppe hinab in die verwinkelten Produktionsräume bugsiert und, kaum dass sie an den vorgesehenen Hakenleisten hängen, mit ihrer Zerlegung beginnt. Wortlos, aber nicht kopflos, sondern mit jener Akkuratesse, die Profis nun mal auszeichnet.
„Neuland übrigens“, erklärt Meister Jens-Uwe Bünger, „wurde im Jahr 1988 ins Leben gerufen und ist ein Qualitätsprogramm für Fleisch, das die artgerechte und umweltschonende Nutztierhaltung in der bäuerlichen Landwirtschaft unterstützt.“ Er ist seit 20 Jahren Neuland-Fleischer.
Nachdem er im Laden die Kassen gecheckt und bei der Wurstherstellung nach dem Rechten gesehen hat, ist Zeit für ein kurzes Gespräch. Dass er Fleischer werden würde, das stand schon früh fest, erzählt er, „weil der Apfel eben nicht weit vom Stamm fällt.“ Also ging Jens-Uwe Bünger nach dem Abitur in die Lehre – bei Rudolf Steck und bei seinem Vater, beide jahrelang Obermeister der Berliner Fleischerinnung und bekannte Größen ihrer Branche.
Der Erkenntnis, dass Schmoren im eigenen Saft nicht die einzige Zubereitungsart ist, folgte die Entscheidung für einen Ortswechsel. Büngers Ziel: die oberbayerische Traditionsmetzgerei Kleeblatt in Holzkirchen. Ein Entschluss mit Auswirkungen. Die definitiv besten Weißwürste der Stadt gibt es heute bei Bünger.
1994 dann die Meisterprüfung, zwei Jahre später die Übernahme der Fleischerei Schmidt in der Westfälischen Straße, 2016 schließlich das Diplom als Fleischsommelier in Salzburg. Und nun: das 25-Jährige. Ausgerechnet im Coronajahr. Ein Fest ohne Feier.
Eigentlich wollten wir mit Jens-Uwe Bünger noch über seine Marathonkarriere reden, über die Läufe in Berlin, Boston, Chicago, London, New York und Tokio sowie über das Verhältnis von Ausdauer im Sport und Stehvermögen im Beruf – aber es ist 8.30 Uhr und da heißt es bei Bünger: Nichts geht mehr. Der Laden öffnet pünktlich – allerdings nicht ohne des Meisters letzten prüfenden Blick. Jens-Uwe Bünger ist zufrieden, die Kunden können kommen.
Was sie erleben, ist ein schicker Vorzeigebetrieb, der sich täglich in Top-Form präsentiert. Die üppig bestückte Theke kennt kein Deko-Gedöns, Fleisch und Wurst sprechen für sich – ob es das Wagyu aus dem Havelland ist (das Bünger allerdings nicht immer im Angebot hat) oder des Meisters Bratwurstspezialitäten.
Zwanzig Kreationen stehen in den Rezeptbüchern, fünf bis sechs davon gibt es täglich. Inzwischen ein kultiger Klassiker: die fränkische Bratwurst. „Sowas macht keiner in Berlin“, sagt eine Kundin, die sie im Dutzend kauft.
Geschmacklich bestechend auch die Hausmacherleberwurst, Büngers saftiger Koch- und Bierschinken und – unser Favorit – ein Leberkäse, der auch in Süddeutschland bestehen könnte. Respekt!
Vor über 20 Jahren antwortete Jens-Uwe Büngers Vater auf die Frage nach der Zukunft des Fleischerhandwerks so: „Ein moderner Betrieb, der im Wettbewerb bestehen will, muss verschiedene Standbeine haben, eins ist das Angebot neuer Produkte – neben den Fleisch- und Wurstwaren.“ Sein Sohn befolgte den Rat – die Fleischerei Bünger ist längst auch ein respektables Feinkostgeschäft.
BÜNGER – DER FLEISCHSOMMELIER
Westfälische Straße 53
10711 Berlin-Halensee
Tel. 030 — 891 64 32
www.fleischerei-buenger.de