Wer einen älteren Berliner Gastro-Guide zur Hand nimmt, findet unter der Bezirksangabe Neukölln Erstaunliches – nämlich nichts. Irgendein Gasthof warb zwar mal mit dem größten Schnitzel weltweit, aber das fand wahrscheinlich nur Aufnahme ins Guiness-Buch.
Neukölln reduzierte sich gastronomisch – von ein paar Vorstadt-Italienern in Rudow, Buckow, Britz mal abgesehen – auf Molle, Futschi und Schlüpferreime à la „Von der Mitte zur Titte zum Sack – Zack – Zack.“ Sicher gibt es das auch heute noch, aber in den letzten zehn Jahren haben sich vor allem die Angebote in den Seitenstraßen der Prachtboulevards Hermannstraße, Karl-Marx-Straße und Sonnenallee komplett gewandelt. Es erscheint durchaus legitim, von einer kleinen kulinarischen Revolution zu sprechen, so wie Neukölln sich hochgekocht hat.
Von Hausmannskost bis Fine Dining in Neukölln
Von tadelloser Hausmannskost bis zum Fine Dining, vom richtig guten Burgerladen bis zum vegetarischen Hotspot – um den Bezirk muss keiner mehr einen Bogen machen, wenn er ordentlich essen will. Da sind der frühere Sternekoch Matthias Buchholz, der vor sechs Jahren auf den Britzer Gutshof zog und dort erfolgreich eine unaufgeregte Landhausküche zelebriert (www.matthias-buchholz.de) und der Ex-Sternepâtissier René Frank, der mit seiner Coda Dessert Bar neue Wege ging (www.coda-berlin.com); da ist der Foodie- und Hipstertreff Industry Standard (www.industry-standard.de) und sein Weinbar-Ableger Wild Things (www.wildthingsberlin.de); da gibt es die Lavanderia Vecchia, die in einer ehemaligen Wäscherei Italienisches zu Neuköllner Preisen serviert (www.lavenderiavecchia.de) und das Eins 44, das sich den Untertitel „Kantine Neukölln“ gab und mit gehobener Bistroküche punktet (www.eins44.com). Dazu das peruanische Chicha Berlin nahe dem Maybachufer (www.chicha-berlin.de), das chinesische Dr. To´s (www.dr-tos.de) und sicher noch ein gutes Dutzend weitere respektabler Adressen.
Last, aber beileibe nicht least, hat sich ohne großes Aufsehen am Rixdorfer Richardplatz das Hallmann & Klee etabliert. Ein weitläufiges Lokal, das Ambiente mediterran luzid, die Küche ambitioniert, für uns derzeit die beste Neuköllner Adresse.
Der Tagesspiegel lobt das Restaurant aus Neukölln
Dass wir mit unserer Meinung nicht ganz falsch liegen können, bestätigen berühmte Kollegen. Die Berufsesser vom Tagesspiegel loben die „sanfte, gemüsebetonte Küche regionaler Orientierung, die ohne vordergründige Effekte auskommt, aber ihren hochprofessionellen Charakter in jedem Gang erkennen lässt“ (Genuss-Guide 2017). Die Kritikerprofis vom tip konstatieren „das Excellente und genauso das Selbstverständliche einer radikal zeitgenössischen, von den Grundprodukten her gedachten Küche“ und erheben das Hallmann & Klee sogar zur Entdeckung des Jahres (Speisekarte 2017). Weswegen wir uns in diesem Restaurant sauwohl fühlen und die Adresse gern an gute Freunde weitergeben, liegt natürlich auch an der Küche, also an den intelligenten und nicht verkrampft originellen Gerichten von Sarah Hallmann, vor allem aber an der sympathischen Atmosphäre.
Da ist die große, offene Küche, in der – verfolgt von den neugierigen Blicken jeder Gäste, die am Tisch davor einen Platz ergattert haben – ganz und gar entspannt der Job erledigt. Und weil das so ist, kann man eben auch mal fragen, woher ein Produkt kommt, was sich hinter einer Belper Knolle verbirgt oder wo der Gin im Steak Tatar abgeblieben ist. Und – toll – man kriegt auch freundliche Antworten und keine schnippischen Ey-musste-googeln-Repliken. Und da sind die Service-Perlen, die nebenbei auch noch Geschirr spülen und trotzdem ebenso präsent wie gastfreundlich sind.
„Wir treten hier nicht jeden Tag an, um unser Ego zu befriedigen oder irgendwelchen Kritikern zu gefallen. Wir schielen weder auf Hauben, Punkte und was es da sonst noch gibt, sondern wollen einfach nur gutes Essen servieren.“
Die Karte überzeugt aber mit etlichen respektablen Naturweinofferten – Viniculture und Holger Schwarz lassen grüßen. So schön, so gut. Die beglückende Küche, die bezaubernden Brownies, Cookies, Kuchen und Törtchen, die entspannte Atmosphäre, kinder- und familienfreundlich, das ganze fröhliche Drum und Dran, die dementsprechende Facebook-Euphorie und eine Frage: Wann eigentlich muss man am Samstag oder Sonntag vor der Hallmann & Klee-Tür stehen, um einen Platz zu bekommen? Also, ihr gastronomischen Start-upper, fahrt nach Rixdorf und schaut Euch an, wie man´s macht. Neukölln – ach was, Berlin – täten noch ein paar mehr solcher Adressen wirklich gut.
Hallmann & Klee
Böhmische Str. 13
12055 Berlin
www.hallmann-klee.de