Nachgelesen in alten Kochbüchern – Das Kochbuch des Lettevereins

Jeder, der sich von Berufs wegen mit Kochbüchern beschäftigt, weiß es: Im Zeitalter des perfekten Brandings lassen Auflagenzahlen nur bedingt Rückschlüsse darauf zu, ob die Rezepte alltagstauglich sind, nach einem Kochbuch also tatsächlich auch problemlos gekocht werden kann.

Früher…

Das sah in früheren Zeiten anders aus – natürlich auch, weil der Markt überschaubarer war und der Gebrauchswert eines Kochbuchs in der Regel größer. Dementsprechend hoch waren die Auflagen. Dafür stehen etwa solche Klassiker wie das „Stuttgarter Kochbuch“ von Friederike Louise Löffler (1744 – 1805), das von 1791 bis 1930 fast 40 Auflagen erlebte und beispielsweise in vielen amerikadeutschen Auswandererhaushalten gehütet und vererbt wurde. Oder das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ von Deutschlands berühmtester Kochbuchautorin Henriette Davidis (1801 – 1876), das 1845 im Bielefelder Verlag Velhagen & Klasing in einer Auflage von 1.000 Exemplaren erschien. Bis 1942 folgten noch 59 weitere Auflagen mit bis zu 40.000 Exemplaren und nach Ablauf der Urheberrechte jede Menge Bearbeitungen und Nachdrucke – etwa durch die Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Thomas Hoof in Lüdinghausen, deren Reprint es bisher auch schon auf sieben Auflagen brachte.

In diese Reihe gehört ohne Zweifel auch das „Kochbuch des Lettevereins“ von Elise Hannemann (1849 – 1934), das 1898 herausgegeben wurde und es bis 1932 auf sage und schreibe 110 Auflagen brachte. Während die protestantische Pfarrerstochter Henriette Davidis ihr Schreiben mit praktischem sozialem Sendungsbewusstsein verband und dabei sicher auch weibliche Selbstbehauptung eine Rolle spielte, waren es bei Elise Hannemann wahrscheinlich ganz praktische Erwägungen, die sie veranlassten, ihr immerhin 684 Seiten umfassendes Kochbuch zu verfassen, das neben einer Einführung in die Naturwissenschaft und Praxis der Küche sowie einem umfangreichen Anhang über 1.500 Rezepte enthält – von Aal in Aspik bis Zwiebelsauce.

Kochbuch des Lettevereins
von Elise Hannemann
Leiterin der Haushaltungsseminare
und der wirtschaftlichen Frauen-Schule
des Lettevereins zu Berlin
48. – 57. Auflage
Berlin 1919
Brandus´sche Verlagsbuchhandlung Berlin W 35
684 Seiten
Druck von Edmund Stein in Potsdam
Preis (antiquarisch): 28,00 Euro

Elise Hannemann, geboren 1849 im oberschlesischen Proskau (heute Prószków), übernahm 1888 die Leitung der Kochschule am Berliner Letteverein, der 22 Jahre zuvor von Wilhelm Adolf Lette als „Verein zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts“ gegründet worden war.

Zeitzeugen schildern die zu Beginn ihrer Tätigkeit in Berlin 39-Jährige als kenntnisreiche, redegewandte, weltläufige Kochlehrerin, die nicht nur bei den Lette-Schülerinnen Anklang fand, sondern beispielsweise auch bei Soldaten, für die sie Vorträge zum Thema „Kochen im Felde“ hielt. Zudem erarbeitete sie gemeinsam mit Ärzten der Charité Kurse zur Ernährung kranker Menschen und beteiligte sich maßgeblich an der Entwicklung des Berufsbildes der Diätassistentin.

Elise Hannemanns Kochbuch diente (ebenso wie etwa ihre Publikationen „Hausarbeit“, „Krankendiät“ und der Band „Grundzüge für Kochen und Hauswirtschaft“) als Lehrmaterial am Lette Verein – zudem kann der Erlös aus dem Verkauf der Bücher dem Verein zugute.

BIBLIOTHECA CULINARIA
Zehdenicker Straße 16
10119 Berlin-Mitte
Tel. 030 – 47 37 75 70
www.bibliotheca-culinaria.de

Ines Herrmann, Jahrgang 1973, stammt aus dem sächsischen Großenhain und kam nach ihrer Ausbildung im Hotelfach und der Tätigkeit in einer internationalen Hotelcompany 2010 zum Lette Verein. Seit 2019 leitet sie hier die Abteilung Ernährung und Versorgungsmanagement.

Kann man im Lette Verein heute noch Kochen lernen, Frau Herrmann?

Ja, aber wir bilden weder Köchinnen noch Köche aus.

Sondern?

Die Vermittlung von Kochkenntnissen ist Bestandteil aller Ausbildungsrichtungen, die wir im Bereich Ernährung und Versorgungsmanagement anbieten.

Welche Ausbildungsrichtungen sind das denn?

Da ist zum einen die Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung, ein einjähriger Kurs für junge Leute ohne Schulabschluss. Ihnen vermitteln wir Alltagswissen in praktischen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten: Nähen, Bügeln, Putzen und eben auch Kochen.

Dafür gibt es Interessenten?

Ja natürlich, wir haben derzeit 24 Schülerinnen und Schüler in der Integrierten Berufsausbildungsvorbereitung, darunter sind Flüchtlinge, etwa aus Syrien oder Afghanistan, aber auch eine ganze Reihe junger Schulabbrecher aus Berlin. Darüber hinaus bilden wir Assistentinnen und Assistenten für Ernährung und Versorgung sowie Betriebswirtinnen und Betriebswirte für Ernährung und Versorgungsmanagement aus – für beide Abschlüsse sind fundierte Kochkenntnisse vonnöten, die wir im Lette Verein vermitteln.

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Welche Voraussetzungen müssen Bewerber für diese beiden Berufsabschlüsse erfüllen?

Als Voraussetzung für die Aufnahme der dreijährigen Ausbildung zur Assistentin oder zum Assistenten für Ernährung und Versorgung verlangen wir einen Mittleren Schulabschluss bzw. die Erweiterte Berufsausbildungsreife. Wer die zweijährige Weiterbildung zur Betriebswirtin oder zum Betriebswirt für Ernährung und Versorgungsmanagement absolvieren möchte, braucht eine abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens ein Jahr Berufserfahrung.

Welche Chancen haben Ihre Absolventen am Arbeitsmarkt?

Die Absolventen beider Ausbildungsgänge werden uns, wenn ich das mal so sagen darf, förmlich aus den Händen gerissen – von Hotels jeder Kategorie, von Großküchen, Kantinen, Mensen, Seniorenheimen und ähnlichen Arbeitgebern.

Und welche Möglichkeiten haben Ihre Absolventen dort?

In der Regel sind die Aufstiegsmöglichkeiten groß und die Karrierechancen vielfältig. Ein junger Mann zum Beispiel, Absolvent 2015, leitet heute die Großküche des Sankt Gertrauden-Krankenhauses in Berlin-Wilmersdorf, ein anderer den Versorgungsbereich der niederländischen Botschaft in Berlin-Mitte. Eine Absolventin hat sich
vor einiger Zeit selbstständig gemacht und in Berlin-Prenzlauer Berg ein Café eröffnet.

Ich erinnere mich, dass der Lette Verein vor etlichen Jahren auch eine Ausbildung in Hauswirtschaft angeboten hat.

Genau, die Ausbildungsinhalte sind in das Berufsbild der Assistentin bzw. des Assistenten für Ernährung und Versorgung eingeflossen.

Eine letzte Frage, Frau Herrmann, spielt eigentlich das Kochbuch von Elise Hannemann im Lette Verein heute noch eine Rolle?

Auf jeden Fall sind wir stolz darauf, dass eines der populärsten deutschen Kochbücher in unserem Haus entstanden ist. Ja, und manchmal holen wir es auch noch aus dem Regal, es staubt also nicht ein. Zur Feier unseres 150. Vereinsjubiläums 2016 übrigens haben wir einige Gerichte daraus nachgekocht – ich sage Ihnen, da haben selbst ausgewiesene Gourmets gejubelt.

Vielen Dank für das Gespräch.

www.letteverein.berlin

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