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Japan im Glas – Reisessig

Kulinarisch gesehen kann ich mein Leben wohl grob in die Zeit vor und nach Japan einteilen. Vor Japan war Reisessig nichts, worüber ich mir viele Gedanken…

Kulinarisch gesehen kann ich mein Leben wohl grob in die Zeit vor und nach Japan einteilen. Vor Japan war Reisessig nichts, worüber ich mir viele Gedanken gemacht habe, nichts, auf das ich besonderen Wert gelegt hätte. Zu selten habe ich ihn benutzt. Nur hier und da hat mal ein Rezept nach einer vergleichsweise geringen Menge verlangt, die nicht ausreichte, um mich näher mit diesem Produkt zu beschäftigen. Außerdem gab es auch keine große Auswahl, die mich animiert hätte, es doch zu tun.
Bei Balsamico übrigens war das anders. Große Auswahl und große Unterschiede in Qualität und Preis, die einen veranlassen, das Warum näher zu erkunden.

Mein Interesse für Reisessig änderte sich schlagartig, als ich vor einiger Zeit Katsushi Oochi kennenlernte, einen der renommiertesten Essigbrauer Japans und in Asien genauso bekannt wie der Österreicher Erwin Gegenbauer in Europa. Oochis Familie stellt seit fast 100 Jahren Reisessig her – nicht den, den ich aus deutschen Asia-Märkten kenne, sondern einen – der voll mit Umami – einem das Wasser im Munde zusammen laufen lässt.

Für einen Japaner untypisch hochgewachsen, empfing mich Katsushi Oochi mit einladendem Lächeln in seiner Manufaktur, die sich – abseits der großen Straßen – in den grünen, dicht bewachsenen Hügeln oberhalb der lauten Millionenstadt Hiroshima befindet. Stolz zeigte er mir die Tanks, in denen bei Wind und Wetter monatelang sein berühmter Essig reift, der – wie die Produkte des Wiener Essigbrauers Erwin Gegenbauer auch – zum selbstverständlichen Must-have asiatischer Spitzenrestaurants gehört.
Der Stolz wuchs noch als er mich zu seiner Quelle führte. Das klare, kühle Wasser, das hier aus der Erde sprudelt, hat keinen weiten Weg hinter sich, kaum Mineralien aus dem Gestein gelöst und ist superweich. Nicht zufällig wird neben dieser Quelle Essig produziert, sondern diese Quelle war der bestimmende Faktor bei der Standortwahl für die Essigbrauerei.

Neben dem weichen Wasser ist der berühmte Akita-Komachi-Reis – eine der geschmacksstärksten Reissorten weltweit – die zweite Säule des Essiggeschäfts von Katsushi Oochi. Aus beidem wird ein Premium Sake gebraut, der dann wiederum zu Essig vergoren wird. „Je besser der Sake, desto besser der Essig“, sagt Oochi, „ein einfacher Zusammenhang, der aber häufig vergessen wird.“ Neben Katsushi Oochi gibt es nicht viele Hersteller in Japan, die Reisessig mit soviel Hingabe und Kompetenz produzieren. Wie Erwin Gegenbauer in Wien gilt auch Oochi als Idealist, als kulinarischer Künstler. Auf die Balance von süß und sauer komme es an, erklärt der Essigbrauer, ohne Zusätze, ohne Tricks.

Ich lerne, dass solcher Qualitätsessig über 70 verschiedene Säuren und Aminosäuren enthält, die sein wunderbares Aroma und seinen Geschmack bestimmen. Kein Wunder, dass Spitzenköche von New York bis Tokio davon schwärmen und Gerichte bis hin zum Dessert darauf abstimmen. Bei mir ist das natürlich alles eine Nummer kleiner, aber wenn ich Sushi-Reis zubereite und die milde Säure von Oochis Reisessig mit Kombu-Algen, Zucker und Salz verschmilzt und die Körner des frisch gekochten Reises umschließt – dann kann ich nur sagen: ein Gedicht.

Washoku nennen die Japaner die Harmonie einer Speise. Washoku hält dazu an, bei ihrer Zubereitung den natürlichen Eigengeschmack der Produkte in den Mittelpunkt zu stellen, ihn zu unterstreichen. Reisessig, eines der ältesten Würzmittel in der japanischen Küche, ist dafür essentiell. Deshalb zielt mein Plädoyer darauf, Kome-su – so sein japanischer Name – auch hierzulande kulinarisch mehr Bedeutung beizumessen.

Nihon Mono
Potsdamer Straße 91
10785 Berlin-Tiergarten
www.nihon-mono.shop

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