80 Prozent des deutschen Eis-Marktes bedient die Lebensmittelindustrie, 20 Prozent halten im weitesten Sinne handwerkliche Produzenten. Das Gros dieser Eismacher allerdings greift dabei auf vorgefertigte Zutaten zurück und setzt sie lediglich ins richtige Mischungsverhältnis. Bleibt die kleine Gruppe, die genügend Kreativität, biochemische Expertise und handwerkliche Kunst mitbringt, um anstelle einer banalen Sommererfrischung hochwertiges Speiseeis herzustellen. Crème de la crème sozusagen.Zu dieser Gruppe gehören Reimar Philipps und Moritz Weber. Philipps, gebürtiger Mainzer, kam erst spät zum Eis. Jurastudium, Musikerkarriere, Musikverleger – was so knapp klingt, machte schon mal ein halbes Leben aus. Als in der Musik immer mehr die digitale Unübersichtlichkeit Einzug hielt, reagierte Philipps.
„Lerne ein Handwerk“, sagte er sich. Dass es das Handwerk des Eismachens wurde, war allerdings Zufall. 2008 eröffnete er mit geleasten Maschinen eine kleine Manufaktur. Produktion von Schokoladen- und Vanilleeis aus Bio-Rohstoffen und Belieferung von gastronomischen Betrieben – das war das Ziel seiner unternehmerischen Bemühungen. „Es hätte funktionieren können, aber es funktionierte nicht“, so Reimar Philipps rückblickend. „Die Alternative war ein Eiscafé.“ In der Pasteurstraße in Prenzlauer Berg ging er mit „Rosa Canina“ an den Start. „Das ist der botanische Name der Heckenrose, die in der Geschichte der Eismacherei eine wichtige Rolle als Geschmacksgeber spielte“, erklärt er, „das erste Eis war Roseneis.“ Schnell sprach es sich herum, dass Philipps kleine Welt der kalten Versuchungen tatsächlich eine ganz besondere war. Eis ist eben nicht gleich Eis, und auch Bio-Eis ist nicht gleich Bio-Eis. Und was viele für eine Geschmacksfrage halten, ist es erst recht nicht. Dafür gibt es zu viele objektiv messbare Antworten: die Zutaten, die Dichte, der Schmelz, die Zuckerstruktur, der Sahneanteil. Philipps hatte von Anfang an entschieden, auf Fertigprodukte zu verzichten, das zahlte sich jetzt aus. 2010 eröffnete er einen zweiten Laden in der Hufelandstraße, 2012 zog er in die Markthalle Neun, aktuell ist er auch in der Pasteur- und Ackerstrasse vertreten.
Seit drei Jahren ist Moritz Weber sein Kompagnon – als gleichberechtigter Mitgesellschafter und Geschäftsführer. Weber, 30, Hamburger, bringt nicht nur die hanseatische Kühle mit, sondern auch die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse, die ein expandierendes Unternehmen nun mal braucht. Weber hat Betriebswirtschaft studiert und Erfahrung in seinem Beruf. Inzwischen beschäftigt ihre Manufaktur zehn Mitarbeiter und etliche Aushilfen, hat in einen respektablen Maschinenpark investiert und in neue Räume. Hier führen zwei kulinarische Profis Regie: die Konditorin Friederike Bartel und die Köchin Paulina Leidloff. Rund 50 Sorten haben sie derzeit im Programm – Vanille und Schokolade natürlich, die „Basics“, aber auch Aprikose mit Rosmarin, Himbeere mit Basilikum, Man go mit Maracuja und Tonkabohne mit Sesamkrokant. Rund 150 Zutaten sind dafür nötig, müssen eingekauft, gelagert und verarbeitet werden. Friederike Bartel zeigt das MozartkugelEis. Drei Schichten – Marzipan, Pistazie, Nougat, dazu Schokostückchen.
Nicht ganz leicht herzustellen. „Mozart- Terror“ nennen die Eisprinzessinnen den Produktionsprozess. Ansonsten sind die beiden zwei friedliche junge Frauen mit hoher fachlicher Expertise, die einfach nur eins wollen: bestes Eis machen.
ROSA CANINA
Markthalle Neun – Ganzjährig
Hufelandstraße 7 – März bis Oktober
Pasteurstraße 32 – März bis Oktober
Ackerstraße 174 – März bis Oktober