Wochenmarkt mit Natalia Stark
Dass ich Natalia Stark und ihre polnischen Backwaren kennenlernte, verdanke ich – genau genommen – meinem Freund Uwe. „Immer wieder Akazienstraße, Preußenallee, Karl-August-, Kollwitz- oder Winterfeldtplatz“, krittelte er über unsere Rubrik Berliner Marktnischen, „sind das denn die einzigen
Wochenmärkte in Berlin oder seid ihr nur zu borniert, um auch mal woanders nach interessanten Offerten zu suchen?“
Sind wir nicht, lieber Uwe, dieser Bericht ist der erste Beweis – und weitere werden folgen, versprochen, denn wir sind tatsächlich auch abseits der prominenten Plätze auf den Geschmack gekommen.
Viermal in der Woche muss Natalia Stark verdammt früh aufstehen. Die 30-Jährige ist Markthändlerin, lebt in Szczecin und steuert ihren knallgelben Citroën Jumper immer dienstags nach Bernau, mittwochs und freitags nach Berlin und samstags nach Greifswald – das sind wöchentlich 1.100 Kilometer. An Bord hat sie polnische Backwaren: Roggen-, Weizen- und Mischbrote, einige freigeschoben, andere in Form gebacken, etliche mit Kümmel oder Mohn gewürzt. Dazu viel Hefegebäck – Hefehörnchen, Hefestückchen, Hefezöpfe.
„Alle Produkte stammen aus der Pikarnia Pawłowski“, berichtet Natalia Stark in fließendem Deutsch, „dass ist eine kleine Bäckerei in Szczecin, in der die Backtraditionen unserer Region wirklich noch hochgehalten werden.“ Sie zeigt auf ein Schild, das sie in die Auslage gestellt hat und lächelt. „Gesundes Brot ohne Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe, ohne Emulgatoren, Regulatoren und Stabilisatoren“, heißt es da. Diese Begriffe gehen ihr dann doch nur schwer über die Zunge, zumal sie das Bäckerhandwerk nicht gelernt hat.
Trainerin wollte sie einst werden, vielleicht auch Lehrerin. An der Hochschule in Krakόw ging sie daran, diesen Traum zu erfüllen und absolvierte ein Sportstudium. Aber wie das mit Träumen eben so ist, manche erfüllen sich und manche platzen wie eine Seifenblase. Das letzte Wort hat immer die Realität. Und die sah bei der aus
Koszalin stammenden Natalia Stark alles andere als rosig aus. Dem Verkäuferinnenjob in einem Sportgeschäft folgte der als Rettungsschwimmerin in einer Hotelanlage, beides nicht eben das Gelbe vom Ei für eine diplomierte Hochschulabsolventin.
„Ich beschloss, mich selbstständig zu machen“, fasst sie den sicher nicht einfachen Schritt in eine völlig fremde Branche zusammen. Über die Zweifel, das Richtige zu tun, will sie heute nicht mehr reden. 2020 gründete sie ihre Firma „Polskie Smakołyki“, das heißt polnische Leckerbissen und machte sich auf den Weg. Ihr Ziel: Wochenmärkte im benachbarten Deutschland. „Am besten solche, auf denen ich nicht die einzige Händlerin aus Polen bin.“ Die Rechnung ging auf.
Dieses Backwerk ist sicher nichts für die New-cool-Generation: ein untertassengroßer und daumendicker Hefeteigfladen, auf dem sich in Schmalz glasig gedünstete Zwiebeln breitmachen, die dazu noch mit reichlich Mohn bestreut sind. Ja, das ist old school und ja, das ist kalorienreiche Oma-Küche. Trotzdem liebe ich diese Teile – allemal, wenn ich sie nicht selbst backen muss.