Ludwig con brio und die Torta mimosa

Die Torta mimosa ist ein kulinarischer Klassiker, typisch für die nord- und mittelitalienische Konditoreitradition, gleichzusetzen etwa mit Asparagi alla milanese oder Bistecca alla fiorentina, wobei das „mimosa“ natürlich keine regionale Verortung kennzeichnet, sondern das Äußere der süßen Verführung in Kuchenform beschreibt. Tatsächlich erinnert die Torta mimosa an ein Meer aus Mimosen – der gelben, kugeligen Blüten, die sich schon bei der kleinsten Berührung „mimosenhaft“ schließen und deshalb in der Pflanzensymbolik für Empfindsamkeit, Stolz und Unnahbarkeit stehen. Kein Wunder also, dass die Torta mimosa am 8. März, dem Internationalen Frauentag, zwischen Lago Maggiore und Rom beliebtestes Zeichen der Wertschätzung des weiblichen Geschlechts ist.
Die Conad- und Esselunga-Supermärkte bieten dann die Torti fix und fertig und vakuumverpackt an, die kleinen Pasticcerien halten mit aufwendig dekorierten Exemplaren in chicen Boxen dagegen. Und es soll sogar – oh italienisches Wunder – Männer geben, die sich heimlich, still und leise selbst in die Küche stellen, Biskuitteig rühren, Springformen füllen, Crème pâtissière – natürlich mit echter Bourbon-Vanille – und Crème Chantilly aufschlagen und nach anderthalbstündiger Zubereitungszeit vor allem sich selbst und ihre Backkünste loben. So avanciert jedes Jahr am 8. März die Torta mimosa zur Torta italiana, aber auch an den restlichen Tagen des Jahres ist das raffinierte Backwerk in vielen Cafés und Konditoreien Italiens durchaus ein beliebter Kaffeebegleiter.

Fräulein Luck würde sich freuen. Fräulein Luck war meine Klavierlehrerin. Immer, wenn ich mal wieder mit den viel zu kurzen Fingern und abwesendem Gesichtsausdruck das ungeliebte Instrument traktierte, rief sie „con brio“, „mit Schwung“. Geholfen hat es nicht, aber „con brio“ blieb haften. Daran erinnerte ich mich, als ich zum ersten Mal im „Ludwig con brio“ zu Gast war. Ein Freund hatte mir den Tipp gegeben, er wusste, dass ich ein ausgemachter Tortamimosa-Fan und in dieser Sache ziemlich verwöhnt bin. Lange Rede, kurzer Sinn – die Ludwig-con-brio-Version ist von allererster Güte.
Betreiber des im Herbst 2017 eröffneten Ladens sind Claudia Cattalani und Massimo Galotta, beide vom Lago Maggi ore, Claudia aus Stresa, Massimo aus Verbania, beide in der Gastronomie groß geworden und seit Jahrzehnten schon dort zu Hause. Nun also Berlin. „Wir bringen die regionalen Produkte unserer norditalienischen Heimat mit, unsere Art, sie zu verarbeiten und hoffen, dass das in Berlin ankommt.“ Die Torta mimosa, die Massimo Galotta höchspersönlich backt und der Caffé originale italiano haben es schon mal geschafft, jedenfalls bei mir – plus Bonuspunkt für den liebenswürdigen Service von Claudia Cattalani.Und ich bin offenbar nicht der Einzige, dem der Besuch im Ludwig con brio in angenehmer Erinnerung geblieben ist. Kollegen haben bei Facebook viel Anerkennendes gefunden: „Tolles Essen, tolle Gastgeber, definitiv wieder!“, „Gemütlich und sauber. Komme gern wieder.“, „Enjoy the relaxed and friendly atmosphere.“ Genau das ist es wohl, was den kleinen Laden so anziehend macht – das besondere Gefühl, die Stimmung. Sicher keine Kriterien für Gastrokritiker, aber weshalb sollte man bei der Bewertung eines Restaurants nicht auch mal fragen, ob man dort eine gute Zeit hatte? Und nur ganz am Rande: Die Herzlichkeit, mit der
Claudia Cattalani ihre Gäste umsorgt, bin ich aus Italien nicht gewöhnt, das ist wohl eher typisch Cattalani denn typisch italienisch. Das haben wohl auch schon viele der bekanntlich äußerst italo-minded Wilmersdorfer gemerkt – auch sie sparen nicht mit Lob und beziehen Massimo Galottas Kochkünste natürlich mit ein. Er serviert eine tadellose Tomatensuppe, ebensolche Risotti – mit Radicchio und Gorgonzola, mit Steinpilzen, mit Kürbis und Käse, mit Flusskrebsen – und er steht jeden Tag an der Nudelmaschine, produziert frische Tagliatelle oder Tagliolini, die er den Gästen dann mit verschiedenen Saucen und Beilagen ser viert.
Und wenn er sich irgendwann noch seine expressionistischen Tellerdekorationen abgewöhnt, dann ist das Glück vollends perfekt. Übrigens: Wer eine Reise zum Lago Maggiore, ins Ossolatal oder in eine andere Ecke des Piemont plant und nicht vor hat, die üblichen Touristenorte mit seiner Anwesenheit zu be glücken – Claudia Cattalani hat die geheimsten Geheimtipps auf Lager, man muss sie nur fragen. Natürlich ist solche Art Service nicht mit Kosten verbunden – ohnehin sind die Preise im Ludwig con brio mehr als geldbeutelschonend. Also, ein paar gute Adressen sollte der Stadtmensch stets griffbereit haben: die
eines menschenfreundlichen Zahnarztes, die einer Freundin/eines Freundes, die geduldig zuhören können und die eines Restaurants mit sozialen Öffnungszeiten. Für Letzteres: Ludwig con brio. Und wenn die Freundin/der Freund dann doch irgendwann mal Urlaub macht, hilft durchaus auch ein ordentliches Stück von Massimo Galottas Torta mimosa weiter.

LUDWIG CON BRIO

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Ludwigkirchstraße 10
10719 Berlin-Wilmersdorf
Tel. 030 — 23 53 11 60
ludwig.eatbu.com

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