Das Café im Literaturhaus trifft auf Kunst

Unvermittelt unterbricht Ida Warych unser Gespräch. „Entschuldigung, um sechs kommt Efraim.“ Die Inhaberin des Cafés im Literaturhaus will ihren Stammgast persönlich begrüßen. Tatsächlich, Efraim ist auf die Minute pünktlich. „Wie jeden Abend“, bemerkt Ida Warych, „nur wenn es regnet, bleibt er zu Hause.“


Efraim Habermann, ein soignierter älterer Herr, sorgfältig frisiertes Grauhaar, akkurat konturierter Oberlippenbart. Ein Anzug, der sicher nicht von der Stange stammt und wenn doch, dann von einer sehr teuren. Designerbrille, Seidenkrawatte, Einstecktuch. Habermann ist Fotograf, Fotokünstler, ein Grandseigneur seines Berufsstandes in Berlin. Einige der Bilder des 84-Jährigen hängen im Wintergarten des Cafés, grobkörnige Schwarzweiß-Aufnahmen von großer formaler Strenge.

Die großbürgerliche Stadtvilla aus dem 19. Jahrhundert kam nach wechselvoller Geschichte – eine Bürgerinitiative verhinderte beispielsweise in den 1970ern den geplanten Abriss zugunsten eines Stadtautobahnzubringers – in den Besitz des Landes Berlin, wurde instandgesetzt, unter Denkmalschutz gestellt und 1986 das erste einer Reihe von Literaturhäusern in Deutschland. Im Souterrain wurde die kleine, aber feine Buchhandlung „Kohlhaas & Company“ eröffnet (www.kohlhaasbuch.de), die Räume darüber und den Wintergarten bezog das Café im Literaturhaus, dessen Betreiber an warmen Tagen auch eine stattliche Zahl der dann besonders begehrten Gartenplätze anbietet.

Cafe im Literaturhaus Ida Warych & Jaroslaw KostowskiCafe im Literaturhaus Ida Warych & Jaroslaw Kostowski2Wir sind mit Ida Warych und ihrem Partner Jaroslaw Kostowski verabredet, den Inhabern des Cafés im Literaturhaus. Es herrscht das hier übliche Gewusel, Gäste kommen, Gäste gehen, Gäste suchen – freie Plätze an einem Gartentisch, ihre Verabredungen, die aktuelle Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen, der Süddeutschen oder der New York Times. Tatsächlich, hier wird noch öffentlich gelesen.

Mensch, Zeitung, Tasse Kaffee, ein Bild das selten geworden ist, man sollte es fotografieren. Die 34-jährige Ida Warych stammt aus Polen, aus Pyrzyce – wir üben nochmal gemeinsam die Aussprache – aus Pyr-zy-ce also, einer Kleinstadt in Westpommern, in der Nähe von Stettin. 2003 kam sie zum Studium nach Berlin – Germanistik, Linguistik, Polonistik, Humboldt-Universität.

Um Stadt und Studium zu finanzieren, kellnerte sie. Aushilfe im Literaturhaus-Café. „Und jetzt machen wir einen großen Sprung“, sagt Ida Warych, „im August 2016 habe ich das Café dann übernommen. “Mit im Boot ist ihr Partner Jaroslaw „Jarek“ Kostowski. Der 39-Jährige, gebürtiger Pole aus Zabrze, lebt seit 1983 in Berlin, ging nach dem Abitur in die Gastronomie. Learning by doing und bei seiner Mutter, einer stadtbekannten Konditormeisterin und Cafébetreiberin. „Hier kümmere ich mich jetzt um die Details, die keiner sieht“, erklärt er. Das Spirituosenangebot beispielsweise, die Weinofferte…“, Jaroslaw Kostowski ist ein Mann des Understatements.

Cafe im Literaturhaus Stefanie ScheitReden wir über Kunst?“, fragt Stefanie Scheit, die Restaurantleiterin und eine gute alte Bekannte. Die gebürtige Freiburgerin kam vor knapp 20 Jahren nach Berlin, um die Servicebrigade des Portalis anzuführen. Sie erlebte den blitzartigen Aufstieg des Restaurants in der Kronenstraße, die Lobeshymnen, den Michelinstern – und das schleichende Ende. Seit 2003 ist Stefanie Scheit im Literaturhaus-Café. „Reden wir also lieber über Kunst.“ Sie liebt die blickfangenden Bilder des Berliner Streetart- und Graffiti-Künstlers El Bocho, die seit Jahren hier hängen und nach denen immer wieder Gäste fragen.

Sie liebt aber auch die Fotografien von Ré Soupoult am Eingang, ihren durch das Bauhaus und den Avantgarde-Film geschulten Blick. „Kunst, die zu uns passt“, sagt sie. Was passt denn nicht zu Euch? „Im Service alles Laute, Kumplige, Anbiedernde.“ Für Stefanie Scheit ist ein Kellner dann perfekt, wenn die Mischung aus Aufmerksamkeit und Takt stimmt.

35 Mitarbeiter gehören zur Caféhausmannschaft von Ida Warych und Jaroslaw Kostowski. Die meisten kennen sich schon seit Jahren. Der stete Wechsel, die einzige Konstante in der Berliner Gastronomie, scheint hier außer Kraft gesetzt. Oberkellner Emi Altundas, den alle nur Giorgio nennen, ist seit 15 Jahren im Haus und kann sich nichts anderes vorstellen. „Weißt Du“, sagt er, „das ist nicht nur ein Arbeitsplatz, das ist auch ein bisschen Heimat.“ Für Jan Kaufmann und Patrick Trettin, die beiden Küchenchefs, die ebenfalls schon ein Jahrzehnt Caféhaus auf dem Buckel haben, sind auch die weichen Bleibefaktoren wichtig – „eine angenehme Atmosphäre, sympathische Gäste, eben das ganze Drum und Dran.“

„Feste Größen braucht der Mensch“, sagt Patrick Trettin noch, bevor er das nächste Dutzent Bio-Eier in die Pfanne haut. Deshalb wird es hier immer Rühreier geben und keine Shakshuka und auch kein German Comfort Food. Mit populären Gerichten sorgt die Küchencrew für viel und deutlichen Geschmack – mehr als in manchem sogenannten feinen Restaurant. Und das kommt bei den Gästen an, weil sie die Freude der Köche (und Köchinnen) an erstklassigen Produkten und ihrer makellosen Zubereitung spüren.

Der marinierte Tafelspitz wird mit lila Möhren und Kartoffelmuffin serviert; die Maishähnchenbrust erhält eine Kräuterkruste,dazu gibt es Perlgraupen und Rhabarberchutny und das irische Flanksteak, dry aged natürlich, kommt mit Süßkartoffelsticks, Maispüree und einem hausgemachten BBQ-Tomatendip auf die Teller.

Wer lieber die Heiterkeit des Südens mag, wird einen farbenfrohen Salat, Bresaola-Carpaccio mit jungem Spinat, Feigen und Parmesan oder eben Büffelmozzarella mit Kirschtomaten und Basilikumpesto vorziehen. Und natürlich gibt es auch Vegetarisches: Bravo bravissimo für die Varianten vom Sellerie – Püree, Piccata, Suppe, Täschchen.

Café im Literaturhaus

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Fasanenstraße 23
10719 Berlin
Tel. 030 882 54 14
www.literaturhaus-berlin.de

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