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Jenseits der Normspur

Wow. Wer hätte das gedacht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und sein Referatsleiter Kultur- und Kreativwirtschaft Bernd Weismann interessieren sich nicht nur für Big Data, Deep Learning und E-Commerce, sondern auch für Handwerksarbeit, Essenszubereitung und Lebensmittelproduktion.

Wow. Wer hätte das gedacht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und sein Referatsleiter Kultur- und Kreativwirtschaft Bernd Weismann interessieren sich nicht nur für Big Data, Deep Learning und E-Commerce, sondern auch für Handwerksarbeit, Essenszubereitung und Lebensmittelproduktion.

Wir haben darüber jedenfalls ebenso gestaunt wie über die Tatsache, dass es junge Leute der Generation Smartphone gibt, die sich noch mit solchem analogen Krimskrams beschäftigen.

Und zwar so intensiv und kreativ, dass sie von einer vielköpfi gen Fachjury mit Experten aus Wirtschaft, Kultur und Politik den Titel „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland 2018“ zuerkannt bekamen.

„Seit 2010 ist es einer der erfolgreichsten Wettbewerbe der Bundesregierung geworden. Vor allem, wenn man sieht, wie viele Kreativpiloten noch am Markt sind. Das ist außergewöhnlich.“ Dieser Satz fiel so oder so ähnlich häufig während der Party der Ausgezeichneten am 20. Februar im Bundeswirtschaftsministerium.

 

 

Unter den 32 Titelträgern aus 13 deutschen Bundesländern waren neun, die sich im engen oder weiteren Sinn mit dem Thema Kochen und Essen beschäftigen – unter ihnen Start-ups aus Sachsen-Anhalt, Bayern, Niedersachsen und Berlin.

Das LIGNUM-Team aus Magdeburg etwa hat Holz als ressourcenschonendes Material im Blick und entwarf und fertigte ein Kochmesser aus Holz (www.lignum.io).

Die Mitglieder des Vereins „überkochen e.V.“ aus München machen sich für Kochunterricht an Schulen stark und konzipierten und konstruierten einen praktischen Kochwagen, der in jedem Klassenzimmer eingesetzt werden kann (www.überkochen.org).

Der Möbeltischler und Innenarchitekt Ruben Lagies aus Berlin schließlich erhielt den Titel Kreativpilot für seine mobile Küchenkonstruktion COOKIN´ROLL (www.studiorubenlagies.com).

Und HOLYCRAB!, auch ein Berliner Start-up, entwickelt Konzepte für die kulinarische Nutzung invasiver Tier- und Pflanzenarten.

 

 

Als Lukas Bosch und Juliane Bublitz im Sommer 2018 einen Zeitungsartikel über die Invasion des Procambarus clarkii im Tier- und Britzer Garten lasen, arbeiteten die ohnehin auf Kreativität programmierten grauen Zellen der beiden Ideenfinder noch flinker als sonst.

Wie wäre es?… Was könnte man?… Am Ende ihres Denkprozesses stand die Vision:

Wir wollen Procambarus clarkii, also den Louisianakrebs, die Chinesische Wollhandkrabbe und andere invasive Tier-, aber auch Pflanzenarten auf ihr kulinarisches Potenzial prüfen und, wenn möglich, der menschlichen Ernährung zuführen.

Motto: From plague to plate. In dem Berliner Koch Andreas Michelus fanden Bosch und Bublitz einen begeisterten Partner, das Trio gründete HOLYCRAB!, verbündete sich mit Fischern wie Klaus Hidde aus Berlin und Wolfgang Schröder aus Brandenburg, entwickelte Rezepte und Strategien für die Vermarktung und wird nun – erster Schritt – auf vielen Märkten in Berlin und Brandenburg, krebsiges Gourmet-Street-Food anbieten.

 

 

Als 2017 die ersten Exemplare des Roten Amerikanischen Sumpfkrebses, auch Louisianakrebs genannt, in Berliner Gewässern auftauchten und das ökologische Gleichgewicht zu zerstören drohten, reagierte die Senatsverwaltung für Umwelt schnell.

Klaus Hidde und sein Sohn Jens, Havelfischer in Spandau, erhielten das Nutzungsrecht für die Seen im Britzer Garten und im Tiergarten und damit die Genehmigung zum professionellen Krebsfang.

Eine Mammutaufgabe, denn die gefräßigen dunkelroten Einwanderer, die eigentlich aus dem Süden der USA stammen, ernähren sich vor allem vom Laich heimischer Fische und Amphibien – mit fatalen Folgen.

Deren Bestände werden dezimiert, das gesamte Ökosystem leidet und kann am Ende sogar „kippen“.

Insgesamt 40 Reusen stellten Hidde und seine Helfer in den betroffenen Seen des Tiergartens und des Britzer Gartens, in denen sich an guten Tagen im Sommer 2018 bis zu 200 Louisianakrebse befanden.

 

 

Am Anfang wurden die Tiere getötet und in Biogasanlagen verwertet.

Als dann ein Gutachten vorlag, das deren Belastung mit Schwermetallen ausschloss und den unbedenklichen Verzehr garantierte, waren schnell auch die ersten Köche in der Spur.

Arne Anker bereitete im Pauly Saal aus dem „Berliner Hummer“, wie der Krebs inzwischen genannt wurde, ein Frikassee, Ben Zviel im Mrs. Robinson’s setzte ihn gegrillt in Szene, und in der Markthalle Neun ging sogar Berlin’s 1st Crawfish Festival über die Bühne.

Dennoch blieb das Ganze überschaubar – bis eben HOLYCRAB! auf den Plan trat.

Die drei Start-upper sind Menschen, die über den Tellerrand hinaus denken und rasch nicht nur die explodierenden Bestände des Louisianakrebses im Blick hatten, sondern auch andere invasive Tier- und Pflanzenarten, etwa die Chinesische Wollhandkrabbe oder das Drüsige Springkraut.

Sie planen Street-Food-Events, Caterings, einen Crab-Truck, eine Convenienceproduktion… Der offizielle Start ist am 11. Mai 2019.

 

www.holycrab.berlin

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