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Die Bäckermeisterin aus Charlottenburg

Sieben Uhr morgens wirkt die Giesebrechtstraße in Charlottenburg wie ausgestorben. Lediglich ein paar Frühjogger und Gassigänger sind unterwegs. Und in Christa Lutums Backstube ist Betrieb.

Christa Lutum, die Bäckermeisterin, so steht es über ihrem Geschäft in Charlottenburg. Hier bin ich, das bin ich. Content is king, sagt sie.

Christa Lutum, 54 Jahre alt, wuchs im Münsterland auf, sie lernte Bäckerin und kam 1982 nach Berlin. „Die einzige Stadt in Deutschland, die spannend war.“ Sie arbeitete bei Mehlwurm und anderen Vollkornbäckereien und 1986 machte sie ihren Meister. „Als eine von vier Frauen unter 75 Männern.“ 1993 gründete sie gemeinsam mit Tony Beumer die Beumer & Lutum GmbH. Die Bio-Bäckerei in der Cuvrystraße folgten weitere Verkaufsstellen in Kreuzberg und Prenzlauer Berg und die Übernahme der ehemaligen Karstadt-Bäckerei in Neukölln. Bald beschäftigte Beumer & Lutum 130 Mitarbeiter, die rund 50 Bio-Brotsorten backen und jede Menge Feingebäck fertigen. Es gibt Imbissangebote und Feinkostverkauf und am 2. Oktober 2013 eine Jubiläumsfeier, bei der kein Auge trocken bleibt. Umso überraschender ist eine Nachricht im Februar 2016: „Nach 22 Jahren gemeinsamer Arbeit haben wir, Antonius Beumer und Christa Lutum, uns getrennt. Christa Lutum wird sich in Zukunft neuen Projekten widmen.“ Ist das Kurz und schmerzlos? Sicher nicht.

Bäckermeisterin Christa Lutum - Portrait

Sieben Uhr morgens wirkt die Giesebrechtstraße in Charlottenburg wie ausgestorben. Lediglich ein paar Frühjogger und Gassigänger sind unterwegs. Und in Christa Lutums Backstube ist Betrieb. Jayne Goss macht Kaffee, Steven Schmeling Frühstück, Stefan Bürger Franzbrötchen. Die Meisterin macht Pause. Wir sprechen über ihren Neustart mit 54. „Mir geht es blendend“, sagt sie und man glaubt ihr das, so entspannt wie sie wirkt. Klein und fein wollte sie es haben. Klein und fein ist es geworden. Taubenblau und kastanienbraun. Eine Wohlfühlatmosphäre ist es. Eine Backstube mit Café, ein Treffpunkt im Kiez. Das Angebot ist überschaubar: dort findet man keine fünfzig Brotsorten, kein Kuchenberg, keine Tortenschlacht. Im Gegensatz ist es ein bisschen wie früher, als ein Brot auch ohne Werbebotschaft ein Brot war. Wir probieren das Baguette. Sie ist 100 Prozent Dinkelmehl und 100 Prozent Bio, also natürlich. Knusprig und nicht spröde, meldet der Gaumen ein intensives Brotaroma, fast schon eine Brotessenz.

Auf das Kneten des Teiges kommt es an“, erklärt Christa Lutum, „auf die Ruhezeit, die man ihm gönnt, auf die Backtemperatur und darauf, dass die Brotstange direkt auf der Herdplatte gebacken wird.“

Mehl aus kontrolliert biologischem Anbau, hauseigene Rezepte, die auf jegliche künstliche Backhilfen verzichten, lange Teigführung, optimale Backzeit, das sind die wichtigsten Zutaten des Handwerksbetriebs. Also Slow baking. lutum-backen-detail

Das Brotprogramm besteht aus der Brotsorten wie Allgäuer, Almkruste, Hürlimann, Paderborner und Südtiroler. Sie sind wie ein Roggenmischbrot, das durch seinen milden Sauerteig besonders verträglich ist und aus 70 Prozent Roggen- und 30 Prozent Dinkelmehl hergestellt ist. „Außerdem backen wir Sachen, die aus der Mode gekommen sind, wie Karlsbader, Knauzen, Knüppel und Seelen“, so die Meisterin. Noch sind sie zu zweit in der Backstube. „Im Februar 2017 kommt ein Bäckerlehrling.“ Christa Lutum ist Lehrlingswartin der Berliner Bäckerinnung und kümmert sich auch im Berufsbildungsausschuss des Deutschen Bäckerhandwerks um den Nachwuchs. „Während der Konditor zum Modeberuf geworden ist, jährlich hunderte Bewerbungen, entscheiden sich pro Jahr in Berlin bestenfalls noch 40, 50 junge Leute Bäcker zu werden“, fasst Christa Lutum die Entwicklung der letzten Zeit zusammen und fügt hinzu: „Es reicht eben nicht, nur ein Wir-bilden-aus-Schild ins Schaufenster zu hängen.“

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Christa Lutum Bäckermeisterin
Giesebrechtstraße 22
10629 Berlin – Charlottenburg
Tel. 030 – 23 39 67 23
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